Susanne saß nachdenklich auf dem Baumstumpf am Waldrand. Die Sonne blinzelte durch die Baumwipfel, kitzelte ihre süße kleine Nasenspitze und sorgte dafür, dass Susanne nicht fror. Innerlich war Susanne jedoch kalt. Sie war verwirrt, fühlte sich unsicher und unverstanden. Ein Betrachter hätte sie glatt für eine Statue halten können, so starr und reglos saß sie auf ihrem Lieblingsplatz. Ganz anders als ihre Körperhaltung es vermuten lassen konnte, tobten alle möglichen Bilder durch ihren Kopf. Sie war aufgewühlt. Ihre Gedanken kreisten immer wieder um die gleiche Frage: Wer hat recht? Und dürfen andere Menschen über mein Leben entscheiden?
Sie war den Tränen nahe und fühlte sich so verunsichert. Sie hätte am liebsten geschrien, doch ihre innere Bestürzung, ihre Angst und ihre Zweifel verschlugen ihr die Stimme. Lange musste sie so dagesessen haben, ohne dass sie bemerkte wie die Zeit verging. Und während sich der Nachmittag langsam vor dem Ende des Tages verneigte, bemerkte sie aus den Augenwinkeln, wie ganz langsam und vorsichtig ein Fuchs mit samtweichem, rostbraunem Fell aus dem Wald herausspähte. Er hatte sie schon eine ganze Zeit vorsichtig beobachtet. Die Stille und Ruhe, die sich über diesen Platz ausgebreitet hatte und der in völligem Kontrast zu ihrem Inneren stand, lockten den Fuchs aus dem Wald hervor. Glücklicherweise hatte Susanne keine Angst vor ihm, wusste sie doch, dass in der Regel die Waldtiere mehr Angst vor den Menschen haben als umgekehrt. Langsam und den Blick nicht von Susanne ablassend, mit spitz aufgestellten Ohren, bewegte sich der Fuchs auf sie zu. Susanne wartete ab, ihr Gedankenkarussell stoppte … sie war verwundert, völlig irritiert, blieb jedoch ganz ruhig sitzen und taxierte nun ebenfalls den Fuchs. Dieser kam vorsichtig und doch zielstrebig auf sie zu. Ungefähr einen halben Meter vor ihr blieb er stehen, blickte sie unverwandt an, seine Ohren standen weiterhin auf „hab acht“ und er verharrte. Die beiden einander fremden Artgenossen beäugten sich und blieben in angespannter Erwartung. Nach geraumer Zeit, die Susanne wie eine Ewigkeit vorkam, begann der Fuchs, zu ihrer völligen Verwunderung, mit einer sonoren, ruhigen Stimme zu sprechen. “Einen schönen guten Abend, junge Frau, was ist mit dir? Hast du kein Zuhause? Du sitzt schon so lange hier auf diesem Baumstumpf, ich fürchte fast, du bist festgewachsen.“ In Susannes Ohren klang seine Stimme fragend und doch hörte sie eine Spur freundlicher Ironie durch. Einen kurzen Moment brauchte sie, um sich von der verrückten Überraschung, sich einem sprechenden Fuchs gegenüber zu sehen, zu erholen. Erst hielt sie für Sekunden den Atem an, schnappte dann nach Luft, atmete tief in ihren Bauch ein, blies ihre Backen beim Ausatmen auf und pfiff die Luft fast zischend zwischen ihren Lippen hervor. … doch dann … als hätte der Fuchs ihre Stimme zum Leben erweckt, fühlte sie einen unglaublichen Drang zu reden. „Ich habe die Zeit ganz vergessen, meine Gedanken kreisen immerzu um die gleiche Frage und ich finde keine Antwort, keinen Ausweg aus meinem Gedanken-Karussell“. „Hm, was ist es denn genau, das dich so beschäftigt, dass du die Zeit ganz vergisst?“, fragte der Fuchs interessiert.
Der Fuchs bemerkte, wie Susanne zögerte.
Wahrscheinlich traut sie sich nicht mit mir zu sprechen, dachte er. Er
überlegte noch, wie er sie zum Reden ermuntern konnte, da begann sie
auch schon, zwar etwas zögerlich, mit unsicherer Stimme zu erzählen:
„Ich arbeite in einem Unternehmen, das ein neues Forschungsprojekt
entwickelt. Man hat mich gefragt, ob ich an dem Entwicklungsprozess
mitarbeiten möchte.“ „Na, dass hört sich doch toll an, du kannst dich
doch über so eine Chance freuen!“, klang der Fuchs ganz begeistert.
Susanne hielt inne, bevor sie weitersprach: „Hm, es ist für mich keine
einfache Entscheidung. Um ehrlich zu sein, ich weiß nicht, ob es sich
dabei wirklich um eine tolle Chance handelt…“ Der Fuchs fragte: „Was
lässt dich daran zweifeln?“ Susanne holte wiederum tief Luft, ihre
Bauchdecke fing an sich zu wölben. Für einen kleinen Moment hielt sie
die Luft an, bevor sie langsam ausatmete … Sie zögerte noch einen Moment
und begannt dann, nach den richtigen Worten suchend, zu erzählen:
„Dieses Forschungsprojekt ist umstritten. Es gibt Menschen, die diese
Form der Arbeit für wenig wissenschaftlich und sogar gefährlich halten.
Für andere, darunter auch viele Kollegen von mir, ist es ein Meilenstein
für den zukünftigen Fortschritt. Bisher habe ich mit dem Themengebiet
nur wenig zu tun. Ich habe das Gefühl, die Zusammenhänge und Inhalte nur
unvollständig zu kennen. Das Ziel und die Umsetzung dieses Projekts
sind für mich wie dichter Nebel über einem Feld, dieser Nebel lichtet
sich irgendwie nicht. Umso mehr ich versuche mich mit der Thematik zu
beschäftigen, desto mehr Nebelschwaden tun sich auf.“ Sie machte eine
Pause, kam aus ihrer etwas gekrümmten, nach vorne gebeugten
Denker-Sitzhaltung heraus, richtete ihren Rücken auf, ließ ihren Blick
zum Waldrand schweifen und setzte dann wieder an. „Ich habe einigen
Freunden von dem neuen Jobangebot erzählt. Darunter sind auch einige vom
Fach. Mit ihnen habe ich einen Teil meines Ausbildungsweges zusammen
bestritten, sie kennen sich also durchaus aus und wir konnten bisher
vertrauensvolle Fachgespräche führen. Erstaunlicherweise haben mir viele
von ihnen deutlich abgeraten, diese neue Stelle anzunehmen. Sie sind
überzeugt davon, dass dieses Projekt unethisch ist und ausschließlich
wirtschaftliche Aspekte verfolgt. Die Klarheit, mit der sie diese
Position vertreten, verwirrt mich. Das habe ich überhaupt nicht
erwartet. Eigentlich dachte ich, dass mir meine Freunde mit Begeisterung
und Achtung zureden würden, die neue Stelle anzutreten. Denn sie ist
schon eine fachliche Herausforderung, mit Prestige verbunden und
schließlich sind bei mir in der Firma alle total begeistert und von der
positiven Tragweite des Projekts überzeugt.“ Susannes Stimme drang nun
eindringlich an die Ohren des Fuchses. Er konnte ihren aufgewühlten
Zustand förmlich hören. „Meine direkte Kollegin Carolin“, fuhr sie fort,
„ist unheimlich enttäuscht, dass sie bisher übergangen wurde und mein
Chef ihr kein Angebot der Mitarbeit gemacht hat. Carolin versteht
überhaupt nicht, dass ich zögere. Sollte ich mich gegen die Möglichkeit
entscheiden, hofft sie, die Stelle angeboten zu bekommen. Sie meint, ich
müsste mich glücklich schätzen, überhaupt an so einem weitreichenden
Projekt beteiligt zu werden. Na, ja, und mein Chef hat mir durch die
Blume zu verstehen gegeben, dass ich langfristig im Unternehmen keine
Zukunft habe, sollte ich mich solch fortschrittlichen Arbeitsprozessen
verschließen.“ Es trat ein Augenblick der Stille ein. Ein leichter
Windhauch ließ die Traube der Mücken, die in der Abendluft tanzten,
auseinanderfallen. Doch einen kurzen Moment später sammelten sich alle
Mücken wieder und gaben ein sehr geselliges Bild ab. Der Fuchs blickte
sie von unten mit leicht zur Seite geneigtem Kopf an. Dann sprach er
aus, was Susanne gerade bei diesem Anblick in den Sinn kam: „Ein
gemeinschaftliches Gefüge wird durch einen Stoß von außen
durcheinandergewirbelt, findet jedoch wieder zur Gruppe zusammen und
wirkt wie unzertrennbar. Ist das Gefüge so stabil, wie du dachtest?“,
fragte er vorsichtig. Es entstand eine Pause, beide hingen ihren ganz
eigenen Gedanken nach. Dann hob der Fuchs erneut behutsam an: „Kann es
sein, dass du zu der Gemeinschaft unbedingt dazu gehören möchtest?“ „Ja,
klar!“, antwortete Susanne ohne Umschweife. Ihre Tonlage wurde
lebendig, für einen Moment klang sie fast fröhlich. „Ich fühle mich
schon sehr geschmeichelt! Für mich ist es natürlich eine Form der
Anerkennung und Wertschätzung, so ein Angebot zu erhalten. Es wäre toll,
einen Teil zum Gelingen dieses Projekts beizutragen. Keiner meiner
Kollegen stellt den Sinn und die Richtigkeit des Forschungsziels in
Frage. Sie strahlen alle so eine Sicherheit aus. Die Überzeugung, alles
sei richtig, so wie es angegangen und umgesetzt wird, liegt flirrend in
der Luft. Das aufgeregte Kribbeln des Neuen ist ansteckend und
verbreitet sich von einem zum anderen. Jeder möchte Teil dieses
Prozesses sein. Und ich? … Fast hätte ich gleich zugesagt, doch
irgendetwas hielt mich kurz vorher zurück. Inzwischen bin ich bin mir
ganz und gar unsicher!“ Susanne schwieg. Wieder kam eine kleine Briese
auf. Während sich am Horizont die Sonne immer rötlicher färbte und sich
bedächtig auf den Weg machte hinter dem Wald zu verschwinden, erhobt der
Fuchs erneut die Stimme. „Was lässt dich zweifeln?“ „Ich kann es gar
nicht genau sagen“, sprudelte es sofort aus Susanne heraus. „Anfangs war
es einfach ein seltsames Gefühl. Irgendwie war ich innerlich unruhig,
ich fühlte eine gewisse Anspannung und war mir unsicher, ob ich die
falschen Schlüsse zog. Also habe ich begonnen, mich mehr mit der
Thematik zu beschäftigen. Inzwischen habe ich tatsächlich viele Studien
und Berichte gelesen. Einige Ergebnisse, die ich gefunden habe, auf die
das neue Forschungsprojekt sich auch stützt, sind für mich weder
nachvollziehbar noch schlüssig. Vieles scheint unbegründet, Fachleute
sind uneins, widersprechen einander zum Teil in großem Ausmaß und meine
Verwirrung wächst. Wir stehen alle noch am Anfang dieses
Forschungsprozesses, normalerweise geht man doch ergebnisoffen an die
Arbeit.“ Ihr Redefluss kam kurz in Stocken, bevor sie fortfuhr: „Als ich
versuchte mit Kollegen über meine Bedenken zu sprechen, wurde mir nur
mit Kopfschütteln begegnet. Es gab sogar aggressive Reaktionen. Einzelne
warfen mir vor, das ganze Projekt mit den vielen unnötigen Fragen zu
gefährden.“ Ihre Stimme gewann zunehmend an Schärfe und Lautstärke. „Es
würde dem Image schaden, auch in der Öffentlichkeit, bekam ich zu hören.
Bei mir kommt es inzwischen so an, als wenn Zweifel und Unsicherheit
unerwünscht, vielleicht sogar verboten sind? Ein Hinterfragen der
bisherigen Ergebnisse findet anscheinend nicht statt, jedenfalls nehme
ich das in meinem Arbeitsumfeld überhaupt nicht wahr. Anders, bei meinen
Freunden. Hier wird gerade auch der Umgangston schärfer. Keiner droht
mir mit Entlassung, wie auch, wir sind ja „nur“ befreundet“, presste
Susanne mit sarkastischem Unterton hervor. „Im Freundeskreis hat man mir
vorgeworfen, dass ich verantwortungslos sei, wenn ich da mitmache! Sie
halten mir vor, dass das verfolgte Ziel unethisch und kaum zielführend
sei. Die Enttäuschung über mein Zögern sei sehr groß und man sei
unsicher, ob man unter diesen Umständen weiterhin mit mir in Kontakt
bleiben will.“ Ein tiefes, dunkles Seufzen kam Susanne nun über die
Lippen und verdeutlichte, wie schwer es ihr ums Herz war. Betrübt
blickte sie auf die Spitzen ihrer Stiefeletten, während sie mit dem
rechten Fuß langsam begann, ganz in Gedanken, Kreise in den trockenen
Erdboden zu ziehen. Unbewusst formte sie mit diesen kreisenden
Bewegungen eine Spirale in den Boden. Was ganz klein anfing, dehnte sich
zunehmend aus und der Kreis wurde weiter und weiter … „Gibt es nur
eine Wahrheit? Kann nur einer recht haben? Vielleicht gibt es nicht die eine richtige
Lösung? Wie können sich die anderen alle so sicher sein?“ sinnierte
sie. „Egal, wie ich mich auch entscheide, ich werde Menschen gegen
mich aufbringen und muss mit Ablehnung rechnen! Ich fühle mich hin- und
hergerissen, weiß gar nicht mehr was ich denken soll … Kannst du jetzt
verstehen, dass ich verzweifelt bin?“, fragte sie eindringlich. „Ich
habe das Gefühl, die Kontrolle zu verlieren und fühle mich so
ohnmächtig!“ Der Fuchs hatte sich zwischenzeitlich zu ihren Füßen bequem
in den Staub gesetzt und ihrer beiden Augen begegneten sich genau in
diesem Moment, in dem Susannes Stimme ganz kläglich, fast verzweifelt
diese Frage formulierte.
„Weißt du“, hob der Fuchs an, “ich habe einmal folgenden Satz gelesen:
<<Der erste Schritt zur Wahrheit ist der Zweifel.> > (von Denis Diderot)
Möglicherweise benötigen wir kritische, zweifelnde Menschen. Nur wer zweifelt, macht sich auf die Suche nach der Wahrheit und wer sagt, dass die Wahrheit von heute noch die Wahrheit von morgen ist? Solange wir suchen, uns Wissen aneignen und morgen unsere Erkenntnisse von heute mit kritischem Blick betrachten, solange ist Entwicklung, Fortschritt möglich! Und denen, die heute behaupten, sie wüssten was wahr und was unwahr ist, denen möchte ich am liebsten mit Stephen Hawking begegnen:
<<Der größte Feind des Wissens ist nicht Unwissenheit,
es ist die Illusion wissend zu sein>>
Ist es nicht so?“, fragte der Fuchs. „Ja, das hätte ich vor ein paar
Tagen auch gleich unterschrieben“, entfuhr es Susanne. „Doch nun habe
ich das Gefühl, andere sind wissend und nur ich bin unsicher, nicht
bereit zu sehen, was wirklich richtig ist. Meine Kollegen fühlen sich
anscheinend fast verraten, wenn ich Fragen stelle oder mich sogar gegen
eine Mitarbeit entscheide. Zwischen den Zeilen droht mir mein Chef im
Prinzip sogar mit Kündigung! Der Fuchs nahm wahr, wie aufgebracht und
verunsichert Susanne war. „Auf der anderen Seite werfen mir meine
Freunde vor, blind für die Wahrheit zu sein und halten mich für
inkonsequent, wenn ich trotz Bedenken eine Mitarbeit an dem Projekt in
Erwägung ziehe. Und umso mehr ich recherchiere, desto tiefer ich
versuche die Materie zu ergründen, umso größer werden meine Zweifel und
umso verrückter finde ich, dass die Kollegen nicht sehen, was ich sehe …
Dann frage ich mich immer öfter: Bin ich so verkehrt, vielleicht zu
dumm? Ein sachliches Gespräch ist mit den Kollegen kaum möglich. Ich
frage mich: Haben meine Freunde recht? Von ihrer Seite fühle ich mich
auch unter Druck gesetzt, so nach dem Motto: Wenn du da mitmachst, dann
trennen sich unsere Wege… Aber, was bleibt mir dann …?“ „Ja, was bleibt
dir dann, gab der Fuchs die Frage an sie ruhig zurück. „Einsamkeit und
finanzielle Unsicherheit“, antwortete Susanne mit einem Kloß im Hals.
„Bist du dann wirklich allein und verloren? Was kann dir
schlimmstenfalls passieren?“ Susanne überlegte. „Hm, na, ja … wirklich
allein bin ich nicht. Da ist noch meine Familie … die würden mich im
Notfall auch finanziell unterstützen, auf die ist Verlass. Das
schlimmste, was passieren könnte, wäre, dass ich meine Arbeit verliere …
oder … und meine Freunde …? Wenn ich so darüber nachdenke, bin ich
wütend. Wütend auf meinen Chef und den Druck bei der Arbeit und auch
wütend auf den Entscheidungszwang meiner Freunde. Haben andere Menschen
ein Recht darauf, mich so unter Druck zu setzen?“ „Na, was wäre denn,
wenn du nun aus Angst vor Verlust einer Seite nachgibst? Wie würdest du
dich dabei fühlen, wie ginge es dir damit?“ Susanne zögerte und sprach
dann ganz langsam, als würde jedes Wort wie Kaugummi gedehnt: „Wenn ich
mich trotz meiner Zweifel, womöglich gegen meine Überzeugung entscheiden
würde, um gemocht und anerkannt zu werden, … dann … ich fühle jetzt
schon, wie es anfängt in meinem Bauch zu grummeln, zu rumoren … damit
ginge es mir schlecht!!“ „Möglicherweise findest du deine ganz eigene
Entscheidung“, sprach der Fuchs, „du darfst deinen ganz eigenen Weg
gehen, deine Entscheidung treffen, mit der es dir gut geht. Sei du
selbst und vertraue deinem Gefühl. Besinne dich auf die Dinge, die für
dich wirklich wichtig sind! Unter Umständen bedeutet dies, sich von
Gewohnheiten und vielleicht auch von einem vertrauten Umfeld zu lösen.
Gewohnheiten sind oft bequem und hindern uns möglicherweise an
Weiterentwicklung und Wachstum. Wer in dem Gefühl der Ohnmacht, des
Kontrollverlustes bleibt, der läuft Gefahr sich seiner eigenen Kraft,
seiner Liebe zu sich selbst nicht bewusst zu sein. Dein Einfluss auf
deine Kollegen und deine Freunde ist gering, doch deine Haltung und dein
Verhalten, beides kannst du steuern. Vielleicht magst du darüber
nachdenken, was dich unterstützen kann, dich frei von der Meinung
anderer zu machen?“ Das war eine wirklich lange und mit sehr viel
Bedacht gehaltene Rede von Seiten des Fuchses. Inzwischen war die Sonne
hinter dem Wald verschwunden, der Mond war schon lange auf der anderen
Seite, über dem Feld, als kleine Sichel sichtbar und Susanne bemerkte,
dass es ein zunehmender Mond war. Die ersten Sterne wurden am Himmel
sichtbar und Wolken zogen langsam dahin, ihr wurde friedlich ums Herz.
Es kam ihr in den Sinn, wie sie früher regelmäßig in die Natur gegangen
war, den friedlichen Moment der Stille des Waldes genossen hatte und
sich in tiefer Ruhe zu sich selbst gefühlt hatte. Das waren die Momente,
in denen sie mit sich zufrieden gewesen war, sich ausgeglichen und
stark gefühlt hatte. Die Schwierigkeiten des Alltags verloren, zumindest
für diesen erlebten Moment, an Bedeutung, wurden klein. Susanne
betrachtete, noch sich ganz diesen Erinnerungen hingebend, den Fuchs und
sprach: „Weißt du, es ist schon interessant …, wenn ich darüber so
nachdenke … Ich werde mich auf die Suche nach Antworten begeben.
Vielleicht finde ich noch andere Menschen, die sich mit mir auf diesen
Weg begeben wollen. Ich nehme mein Glück in die Hand und mache mich von
den Meinungen anderer unabhängig. Möglicherweise entdecke ich ganz neue
Seiten an mir!“
„Ja, das hört sich nach einem Plan an,“ stimmt der
Fuchs ihr zu. „Da kommt mir übrigens folgende Weisheit von dem
chinesischen Philosophen Lao-Tse in den Sinn:
<<Wer andere kennt, ist klug,
wer sich selbst kennt, ist weise.>>
Entdecke
dich, deine Stärken und Möglichkeiten, mache dich frei von den
(Be)wertungen anderer, erinnere dich an alles, was du schon geschafft
hast, und habe den Mut dich so zu lieben, wie du bist!“
Die
beiden so unterschiedlichen Wesen verweilten noch eine ganze Zeit
schweigend an diesem Ort. Susanne fühlte sich in ihrem Innern ruhig und
gestärkt. Ihr Blick richtete sich immer noch auf ihre Stiefelspitze und
nun bemerkte sie, dass sie unbewusst durch die kreisenden Bewegungen der
Fußspitze tatsächlich einen wunderschönen kleinen Feuerstein freigelegt
hatte. Sie nahm ihn auf, betrachtete ihn mit einer gewissen andächtigen
Aufmerksamkeit. Dann kam ihr ein Gedanke: „Den nehme ich zur Erinnerung
an unsere wertvolle Begegnung heute mit!! Sie steckte ihn in ihre
Hosentasche, bedankte sich beim Fuchs für sein Ohr und seine
Unterstützung, stand auf und ging ihres Weges. Inzwischen war es fast
Nacht, doch die Sterne und der Mond wiesen ihr den Weg.
Ende
(Ute Wohlstein, November 2021)